„Gesundheit hat nicht nur etwas mit Körper und Bewegung zu tun“ – Interview mit dem Gesundheitsexperten Hendrik Heinzmann

Am 28. April ist der Tag für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Diesen haben wir uns als Anlass genommen, mal bei einem Experten nachzuhaken, was das eigentlich genau bedeutet – ein gesunder Arbeitsplatz…

Die Corona-Pandemie hat für viele von uns das Leben auf den Kopf gestellt. Viele arbeiten von zu Hause statt im Büro. Wir haben mitunter anders gegessen und uns vielleicht weniger bewegt. Aber was für Auswirkungen hat das auf unsere Gesundheit? Und was ist Gesundheit eigentlich und wie können wir sie verbessern? Wir haben beim Gesundheitsexperten und Diplom-Sportwissenschaftler von Sportivation Hendrik Heinzmann nachgefragt.

Hendrik Heinzmann, Gesundheitsexperte und Diplom-Sportwissenschaftler


Lieber Hendrik, Gesundheit ist ja ein sehr weitläufiger Begriff. Was bedeutet Gesundheit aus deiner Sicht? 

Zunächst einmal ist Gesundheit etwas sehr Individuelles. Wenn ich die Menschen in unseren Workshops frage „Was hast du für deine Gesundheit gemacht?“, dann erhalte ich oft ähnliche Antworten: joggen, Sport treiben, Obst und Gemüse essen. Die Weltgesundheitsorganisation sagt hier aber ganz klar: Es gibt eine körperliche Gesundheit, aber auch eine soziale und psychische Gesundheit. Und das ist ganz wichtig und wird oft vergessen. Hier gibt es so viele Faktoren, die auf unsere Gesundheit Einfluss haben: Wie ist meine Wohnlage? Erhalte ich Anerkennung von meinem Chef oder meiner Chefin? Nehme ich mir Zeit für meine Freundinnen und Freunde? Wie ist meine Einstellung zum Leben? Also ganz wichtig: Gesundheit hat nicht nur etwas mit Körper und Bewegung zu tun.

Was können wir tun, um unsere Gesundheit zu verbessern?

Die Einstellung ist besonders entscheidend. Viele denken leider, dass sie nichts dafür tun können. Ich habe mal gehört, dass 50 Prozent der Deutschen denken, sie könnten das nicht beeinflussen. Aber doch, das können sie. Gesundheit ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Sie ist die Fähigkeit, das zu tun, was man möchte. Auf der anderen Seite wird das Thema Gesundheit leider heutzutage etwas überhöht. Es wird zum Stressfaktor. Viele denken „Ich könnte noch viel mehr tun“. Da gibt es Führungskräfte mit unglaublicher Arbeitsbelastung, die nebenbei für einen Marathon trainieren. Ich empfehle hier mehr Gelassenheit. Man sollte Dinge auch mal genießen. Sich mal jede halbe Stunde sich ein wenig bewegen, auch wenn es nur ein Recken und Strecken ist. Zwischendurch Obst und Gemüse essen und zu ungesüßten Getränken greifen. Das macht schon viel aus.

Durch Home-Office oder im Büroalltag kommt die Bewegung meistens zu kurz. Was können wir hier tun, um einfach und unkompliziert mehr Bewegung in unseren Alltag zu integrieren? 

Ganz wichtig ist die regelmäßige Bewegung – optimalerweise jede halbe Stunde oder jede Dreiviertelstunde. Das kann auch der Gang zur Kaffeeküche sein oder zum Drucker. Man sollte sich auch ab und zu mal hinstellen. Im Arbeitsprozess ist das manchmal schwierig, weil uns das aus der Konzentration reißt. Darum am besten Aufgabenblöcke für neunzig Minuten setzen. Dann eine Pause machen, vielleicht etwas wegbringen, frische Luft schnappen. Ich empfehle auch, so oft wie möglich rauszugehen. Helligkeit ist ganz wichtig für unser Wohlbefinden. Diese bekommen wir aber nicht im Büro. Und dort sollten wir auch nicht zu viel und zu oft essen. Das bringt den Fettstoffwechsel durcheinander. Genau so wichtig ist aber, was vor und nach der Arbeit passiert. Wir sollten auch mal eine Station vorher aussteigen und ein Stück laufen. Und wir sollten für Entspannung sorgen. Dazu gehört, morgens den Tag ruhig zu starten, sich Zeit zu lassen. Dazu kann man den Wecker auch mal früher stellen. Und abends neunzig Minuten vor dem Schlafengehen auch mal das Licht dimmen, Handy oder Fernseher ausschalten und zur Ruhe kommen.  

Corona hat unser Leben ziemlich auf den Kopf gestellt. Immer mehr Menschen arbeiten im Home-Office. Wie empfindest du diese Entwicklung? Ist es eine Chance, gesünder zu leben, oder auch ein Risiko, weil vielleicht einige Alltagsbewegungen wegfallen? 

Umfragen und Statistiken zeigen leider, dass sich der Großteil während der Pandemie insgesamt ungesünder ernährt und weniger Sport getrieben hat. Vorher gab es den Fußweg zum Auto, das Laufen zur Kollegin oder zur Kaffeeküche, das alles fällt auf einmal weg. Im Home-Office muss ich das selbst organisieren. Das fällt vielen schwer. Sie sind weniger draußen, bekommen weniger Licht und Sauerstoff. Aber das ist ganz wichtig. Hinzu kommen weitere Stressfaktoren, die ungesund sind: Es gibt keine klare Trennung zwischen Beruf und Privatleben, dadurch arbeiten viele im Home-Office mehr als im Büro. Mitunter könnten sie dann abends nicht abschalten und schlafen schlechter. Aber es gibt natürlich auch die, die damit gut zurecht kommen, sich genug bewegen und Licht aufnehmen und ein entspanntes Leben führen.  

Denkst du, es wäre für die Gesundheit besser, öfter ins Büro zu fahren? 

Das kommt ganz auf die Person an. Meine Empfehlung lautet, es einfach zu probieren. Das kostet manche jetzt durchaus Überwindung. Es ist aber wichtig für die soziale Komponente der Gesundheit. Wenn ich mich mit Kolleginnen und Kollegen verabrede und im Büro austausche, kann das ein gutes Gefühl schaffen. Und für unser Glücksempfinden ist es durchaus mal gut, die Komfortzone zu verlassen. Aber hier gibt es auch keine Pauschallösungen: Wer im Home-Office zufriedener ist und die Möglichkeit dazu hat, sollte das auch machen.  

Psychische Erkrankungen nehmen zu und gelten als Hauptursache für eine Berufsunfähigkeit – insbesondere bei Büroangestellten. Was sind die Gründe? Gibt es hier Möglichkeiten für die Prävention?

Es gibt hier durchaus ein Grundproblem, das lautet: Alles wird immer schneller. Wir müssen immer mehr Aufgaben in kürzerer Zeit schaffen. Wir Menschen sind dafür eigentlich nicht gemacht. Auch hier ist die Dreiteilung – psychische, soziale und körperliche Gesundheit – wichtig. Bei vielen startet der Morgen mit einem Blick auf das Handy. Aber warum eigentlich? Lieber gemütlich einen Kaffee machen und auf den Balkon stellen und etwas Sonne tanken. Gerne auch den Wecker etwas früher stellen und mal Zeit für mich haben. Wenn ich ausgeglichen bin, überträgt sich das auch auf andere. Für meine Gesundheit ist es auch wichtig, mich mit Freunden und anderen auszutauschen. Darum wundert es mich nicht, wenn ich immer öfter höre, dass die Leute froh sind, in die Büros zurückzudürfen. Wenn ich aber überladen bin mit Aufgaben, ziehe ich mich möglicherweise zurück. Ich habe keine Kraft für soziale Kontakte. Soweit darf es gar nicht erst kommen. Darum spielt das Thema soziale Führung eine wichtige Rolle.  

Im Arbeitsalltag gibt es viele Dinge, die uns belasten, aber auf die wir nur bedingt Einfluss haben: etwa das Arbeitsklima insgesamt, ein hoher Arbeitsdruck durch sich verändernde Märkte und globalisierte Arbeitsteilung oder der cholerische Chef und die ständige Erreichbarkeit über das Smartphone. Was können wir tun, um diese Stressfaktoren zu minimieren?

Das ist in der Tat ein schwieriges Thema. Wichtig ist in der Regel immer, das Gespräch zu suchen. Man muss Themen zeitig ansprechen, damit sie sich nicht hochschaukeln, so dass nur noch die Kündigung als letzter Ausweg bleibt. Hier sind aber auch die Arbeitgeber gefragt. Denn: Auch Führungskräfte müssen sich weiterentwickeln. Teilweise sind sie fachlich sehr gut, müssen das Führen aber noch lernen. Da müssen Arbeitgeber in Schulungen investieren und sie fortbilden. Arbeit sollte nicht so gesehen werden, dass sie generell nur Energie zieht, sondern auch Energie gibt. Dazu muss ich meine Ressourcen aufbauen – körperlich, sozial und psychisch. Dann bin ich auch Belastungen gewachsen. Ich darf nicht erst reagieren, wenn es zu spät ist. Wenn allerdings nichts hilft und mich die Arbeit so sehr hinunterzieht und ich das Problem nicht lösen kann, dann muss ich mich von dem Problem lösen, also vom Arbeitgeber. 

Was müssen Arbeitgeber tun, um Stressfaktoren zu senken und die Gesundheit zu fördern? 

Ganz wichtig: Als Erstes müssen sie herausfinden, was die Leute beschäftigt. Was möchten sie? Was wünschen sie sich? Es ist sinnlos, anderen etwas überzustülpen. So nach dem Motto: Die Leute sitzen viel, ich mache mal eine Rückenschule, aber eigentlich fallen viele aus, weil die Belastung zu hoch ist. Also erstmal eine Umfrage machen und Probleme identifizieren. Man muss die Bedürfnisse der Mitarbeitenden kennen und sie angehen. Man darf nicht an ihnen vorbeiarbeiten. Ich brauche als Arbeitgeber ein klares Gesundheitsmanagement. Das kostet Zeit und auch Geld, ist aber elementar. Denn die Gesundheit meiner Mitarbeitenden sollte stets das höchste Gut sein. Sind sie gesund, sind sie auch zufriedener und erzielen bessere Leistungen. Am Ende profitieren davon alle Seiten. 

Vielen Dank Hendrik für das Interview!

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